Eine Frau in Arbeitskluft und Hut lächelt umgeben von mehreren Kühen auf einer grünen Wiese. Sie melkt eine Kuh manuell mit einem Melkeimer. | © Urlaub am Bauernhof / Daniel Gollner

SIE hat ihren Wunsch umgesetzt

Christina Gollner hat zunächst nach ihrem BWL-Studium, das sie nach eigenen Worten ziemlich ehrgeizig absolvierte, gleich in einem doch sehr herausfordernden Job gearbeitet und dann noch umfangreiche Ausbildungen draufgesetzt. Zum damaligen Zeitpunkt dachte sie noch, dass das richtig sei. Aber ein paar Jahre später hatte sie in zunehmendem Maße das Gefühl, im berüchtigten Hamsterrad zu stecken und dabei das Leben an sich vorbei ziehen zu lassen. Sie fühlte sich mehr und mehr nur müde und ausgelaugt, wobei sie schon drauf und dran war, ihren damaligen, gut dotierten Job einfach hinzuschmeißen. Sie hatte Sehnsucht nach einem einfachen Leben, sie wollte den Überfluss und den Stress in ihrem Leben reduzieren, mehr mit, von und in der Natur zu leben. Mit einem Wort, es musste was geschehen!

Und es geschah, allerdings nur mit ihrer eigenen Mithilfe und Entschlossenheit. Sie war schon immer gerne draußen gewesen, liebte die Natur und die Berge. Übrigens nicht so verwunderlich, denn schließlich lebt sie bei Lienz in Osttirol mit den Gipfeln ringsum in Sichtweite. Apropos Gipfel, dazu sagt Christina: „Wenn ich auf einem Gipfel stehe, kann ich nirgendwo hin, dann bin ich nur bei mir.“ Und irgendwann so zwischendurch kam ihr die rettende Idee: Sie wollte Sennerin werden! Inzwischen hat sie vier ganze Sommer auf Almen verbracht.

Eine Person steht auf einem Felsen in der Mitte eines spiegelglatten Sees, umgeben von schneebedeckten Bergen. Das Bild zeigt eine idyllische, friedliche Berglandschaft. | © Urlaub am Bauernhof / Daniel Gollner

Die Hirtin im Weidemanagement

Den ersten ihrer Almsommer war sie auf der Tröpolacher Alm in den Karnischen Alpen. Dort hat man sie „gnadenhalber“ als absolute Amateurin angestellt, wie sie heute lachend sagt.  Auf dieser Alm gibt es umfangreiche Käsereiwirtschaft („Gailtaler Almkäse g. U.“) mit ziemlich großer Gastronomie. Für beides kam Christina eher nicht in Frage, das eine wegen fehlender Kenntnisse und Fertigkeiten, das andere lag grundsätzlich nicht in ihrem Interesse. Aber die „Viecher“ waren es! Da konnte sie sich als Anfängerin bei der Betreuung der Tiere beweisen, fühlte sich am richtigen Platz und eignete sich rasch gute Praxiskenntnisse an.

Im zweiten Sommer war sie schon mutiger und übernahm auf der Maureralm als Hirtin das, was man wohl heute Weidemanagement nennt. Die Maureralm liegt im Maurertal in Osttirol. Von wegen Tal! Christina selbst beschreibt es sehr konkret und bodenständig als felsig, hochalmig und grabenmäßig. All jene, die schon einmal über die Maureralm zur Essener-Rostocker-Hütte gewandert sind, werden das bestätigen. Hier betreute Christina in den letzten drei Sommern 30 bis 48 ein-bis zweijährige Jungrinder. Die Zahl hing davon ab, wie viele Tiere die Bauern jeweils auf die Alm schickten.

Und wie kann man sich diese Betreuung durch die Hirtin vorstellen? Das Jungvieh wird auf dieser Alm in eingezäunten Koppeln gehalten. Das heißt, dass mittels immer wieder neu aufgestellter Zäune die Tiere in anderen Almteilen weiden. Die Hirtin hat die Aufgabe, diese Koppeln auszuwählen, die Zäune aufzustellen und die Tiere dorthin zu bringen und sie zu überwachen. Und das Ganze acht bis neunmal in einem Sommer! Die Betreuung der Tiere geschieht natürlich permanent. Man kann sich vorstellen, dass dabei schon einige Kilometer und auch Höhenmeter für die Hirtin zusammenkommen. Das ist ja Knochenarbeit! „Ja, das ist sie,“ gibt Christina ehrlich zu. „Das Schwierigste ist das Schleppen der Zaunpfähle, die hier Strempfel heißen. Aber durch das, was man im Sport Training nennt, wird man immer besser und kann eine immer größere Zahl von Strempfeln tragen, was wiederum Kilometer und Höhenmeter spart“, erklärt Christina weiter.

Trotz der Schinderei glücklich?

Christina ist dankbar – für ihren Beruf als Bilanzbuchhalterin, den sie seit Jahren gerne ausübt, und für ihre ganz besondere Sommerarbeit: als Hirtin auf der Alm. In den Sommermonaten tauscht sie ihr Büro gegen die Berge und arbeitet für eine Agrargemeinschaft, bei der sie als landwirtschaftliche Hilfskraft angemeldet und natürlich auch versichert ist. Ihr Hauptarbeitgeber unterstützt diesen Weg – beide Seiten freuen sich jedes Jahr, wenn Christina im Herbst wieder zurückkehrt.

Nach vier Almsaisonen blickt Christina zufrieden auf ihre Entscheidung zurück. „Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, nicht wieder im Sommer auf der Alm zu arbeiten. Wahrscheinlich ginge für mich dann die Welt unter“, sagt sie lächelnd. Und doch weiß sie, dass diese körperlich fordernde Arbeit in den Bergen nicht für immer möglich sein wird – auch wenn sie erst vierzig ist. „Aber wer weiß schon, was kommt. Meine Almerfahrungen nimmt mir keiner mehr.“

Die Zeit auf der Alm hat Christina geprägt. „Ich bin als Mensch viel menschlicher geworden, habe fürs Leben gelernt und bin für vieles viel dankbarer“, erzählt sie nachdenklich. Das Hamsterrad des Alltags? Für sie kein Thema mehr. „Ich weiß jetzt, dass ich es jederzeit anhalten kann. Mein früherer Ehrgeiz ist stark gebremst – und das tut mir gut.“ Die vergangenen Sommer in den Bergen haben Christina zu einem zufriedeneren Menschen gemacht. Und die Sehnsucht nach dem nächsten Almsommer bleibt.

Eine junge Frau in traditioneller Tracht steht in einer blühenden Berglandschaft vor einer malerischen Holzhütte. | © Postkarte/1940

Realistischer Blick in die Almpraxis

Die Alminspektorin von Kärnten, Barbara Kircher, weiß genau, wovon sie spricht. Sie nennt die Eigenschaften, die ihrer Meinung nach absolut unerlässlich sind, wenn man einen Hirtenjob oder allgemein eine Saisonarbeit auf der Alm machen möchte.

Verlässlichkeit steht für sie an erster Stelle. Der Umgang mit Tieren – und hier vor allem mit Nutztieren wie Rindern, Schafen oder Ziegen – sollte einem Freude bereiten. Wer sich von schlechtem Wetter leicht die Laune verderben lässt, ist auf der Alm fehl am Platz. Auch der Verzicht auf Komfort sollte einem leichtfallen – denn das Leben auf der Alm ist schlicht und oft herausfordernd.

„Man muss bodenständig und selbständig sein“, sagt Kircher. Außerdem sollte es einem nichts ausmachen, längere Zeit ganz allein in der Abgeschiedenheit zu verbringen. Eine gewisse Entscheidungsfreudigkeit ist ebenfalls gefragt – schließlich muss man oft spontan und richtig handeln, vor allem im Umgang mit Tieren.

Ist das zu viel verlangt? Barbara Kircher sieht das realistisch: „Ja, es ist viel. Für romantische Vorstellungen ist da leider sicher kein Platz mehr.“

Der Mann sitzt auf einer Wiese mit Bergen im Hintergrund. Er trägt einen Hut und Bergwanderbekleidung. Neben ihm stehen mehrere Tiere, darunter ein großes Rind. | © Atzenberger, 1941

Wer davon träumt, einen Sommer auf der Alm zu verbringen, fragt sich oft: Wie wird man Senner oder Sennerin? Und welche Berufe auf der Alm gibt es überhaupt? Eins ist klar: Ob Frau oder Mann – auf der Alm zählen Einsatz und Teamgeist. Alle zusammen bilden das Almpersonal, das sich fast wie eine Schiffscrew fühlt – nur eben auf dem „Almschiff“.

Hier ein Überblick über die wichtigsten Tätigkeiten:

  • Hirte:in – in manchen Gegenden auch Halter:in oder Ochsner:in genannt. Diese Personen kümmern sich um das Weidevieh, ähnlich wie Christina im oben beschriebenen Bericht. Sie achten auf das Wohl der Tiere und kontrollieren die Weideflächen.

  • Melker:in, Kaser:in oder Käser:in – sie sind hauptverantwortlich für die Milchverarbeitung auf der Alm. Das Melken der Kühe und die Herstellung von Käse oder Butter gehören zu ihren Kernaufgaben.

  • Senner:in – ein Allround-Talent auf der Alm. Neben dem Vieh gehört auch die Milchverarbeitung zu den täglichen Aufgaben. Je nach Alm kann auch die Gästebewirtung dazugehören – zum Beispiel, wenn Wanderer oder Urlaubsgäste die Alm besuchen.

Wer als Quereinsteiger:in in das Leben und Arbeiten auf der Alm starten möchte, sollte sich entsprechendes Wissen aneignen. Eine gute Basis bietet die Grundausbildung beim Ländlichen Fortbildungsinstitut (LFI) in Zusammenarbeit mit dem Almwirtschaftsverein. Dort lernt man die wichtigsten „Almlehrgegenstände“:

  • Allgemeiner Einblick in die Almwirtschaft

  • Nutztierhaltung und Nutztiergesundheit

  • Almvegetationskunde

  • Arbeits- und steuerrechtliche Fragen für das Almpersonal

  • Spezialthemen wie das Herstellen von Almschmuck für den Almabtrieb

Mit dieser Ausbildung stehen die Chancen gut, schon bald als Hirte:in, Senner:in oder Käser:in eine Saison auf einer Alm zu verbringen – und echte Bergluft gegen Büroalltag zu tauschen.

Alm vom Vorderfrommhof in Werfenweng mit Aussicht auf das Tennengebirge | © Urlaub am Bauernhof im SalzburgerLand / Matthias Gruber

Auch Christina Gollner hat die Grundausbildung für Almpersonal absolviert – und findet sie einfach unverzichtbar. „Die Ausbildung ist sehr hilfreich, um vorbereitet in die Alm-Saison zu starten“, sagt sie. Doch auch die erfahrene Alminspektorin Barbara Kircher weiß: Theorie allein reicht nicht. Rund die Hälfte der Absolvent:innen dieser speziellen Ausbildung konnten in den letzten Jahren tatsächlich in der Praxis als Hirte:in, Senner:in oder Käser:in starten.

Beide – Kircher und Gollner – sind sich einig: Egal, wie gut die Vorbereitung ist – am Ende zählt die Praxis auf der Alm. Das Arbeiten auf der Alm bedeutet, ins sprichwörtliche kalte Wasser geworfen zu werden. Nur dass das „kalte Wasser“ hier die Alm selbst ist – mit all ihren Herausforderungen und der besonderen Faszination.

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Notburga Samrock

Almhüttenexpertin, 12 Artikel

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